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„Tante Enso“ in Falkenau: Nahversorgung neu gedacht – zwischen Selbstbedienung und sozialem Treffpunkt

Regionalleiter Danny Erdmann erklärt die Selbstbedienungskasse im Tante Enso Markt Falkenau. Foto: Stadtverwaltung Flöha/ Erik Frank Hoffmann

Vertreter der Stadtverwaltung Flöha gemeinsam mit Mitgliedern des Stadt- und Ortschaftsrats sowie weiteren Gästen aus Falkenau besuchten im Rahmen einer Betriebsbesichtigung den Dorfladen in Falkenau. Foto: Stadtverwaltung Flöha/ Erik Frank Hoffmann

Der Dorfladen in Falkenau, betrieben von einem Bremer Unternehmen unter dem Namen „Tante Enso“, ist mehr als nur ein Ort zum Einkaufen. Seit Januar 2024 versorgt er die Menschen vor Ort mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs – rund um die Uhr und getragen von einer genossenschaftlichen Struktur. Am 27. Mai besichtigten Vertreter der Stadtverwaltung Flöha gemeinsam mit Mitgliedern des Stadt- und Ortschaftsrats sowie weiteren Gästen aus Falkenau den Dorfladen „Tante Enso“. Die Betriebsbesichtigung fand im Rahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung statt und diente nicht nur der Begutachtung des Marktbetriebs, sondern auch dazu, das innovative Versorgungskonzept für ländliche Regionen näher kennenzulernen.

„Wir sind überglücklich, dass die Nahversorgung in die Ortslage geholt werden konnte“, betonte Oberbürgermeister Volker Holuscha. Der Standort des Ladens selbst hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich – einst war das Gebäude Turnhalle, später Kino, Jugendclub und auch schon früher ein genossenschaftlicher Dorfladen. Dass es nun gelungen ist, mit einem neuen Konzept eine nachhaltige Versorgungslösung zu etablieren, wird als großer Erfolg gewertet.

Danny Erdmann, Regionalleiter Ost bei Enso, betreut 12 Enso-Geschäfte und sieht das Konzept auf gutem Weg: „Das erste Jahr war entscheidend. Besonders wichtig war, dass wir ein tragfähiges Modell mit geringem Personaleinsatz entwickeln konnten.“ Der Markt funktioniert über ein hybrides System: Personal ist nur an bestimmten Tagen und zu festen Zeiten im Einsatz, an den übrigen Tagen erfolgt der Zugang über die Enso-Karte. Diese ermöglicht den Eintritt per Kartenleser und das Bezahlen über Self-Checkout zu jeder Tageszeit. „Die Karte ist ein zentraler Bestandteil – sie erlaubt es uns, Personal zu entlasten und gleichzeitig den Laden rund um die Uhr zugänglich zu machen.“ Für viele Menschen, gerade Schichtarbeiter oder Alleinstehende, sei dies eine enorme Erleichterung. Er betonte auch, dass man für den Erwerb der kostenlosen Enso-Karte kein Anteilseigner sein müsse.

Ein Kritikpunkt der Anfangszeit – die eingeschränkten Öffnungstage mit Personal vor Ort – wurde mit Bedacht weiterentwickelt. Der Markt ist vier Tage die Woche mit Personal besetzt, montags und mittwochs ist ein Einkauf nur mit der Enso-Karte möglich. „Der Mittwoch war ursprünglich der einzige Ruhetag. Als wir gesehen haben, dass die Nutzung der Kassensysteme an den übrigen Tagen nicht stark genug war, haben wir auch den Montag hinzugenommen. Das schützt das Team vor Überlastung – und überraschenderweise hat es die Kartennutzung gesteigert“, erklärt Erdmann. Ziel sei es stets, die Balance zwischen Rentabilität und Zugänglichkeit zu halten.

Dass der Markt angenommen wird, belegen die bisherigen Zahlen: 900 Karteninhaberinnen und -inhaber in Falkenau, davon 351 auch Anteilseigner – das zeigt, dass die Idee in der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden gefallen sei. Doch Erdmann warnt: „Nur Anteile zu halten reicht nicht aus – der Markt kann nur bestehen, wenn die Falkenauer ihn für ihre Wocheneinkäufe nutzen – Ergänzungskäufe allein sichern keine Zukunft.“ Auch Ortsvorsteher Martin Müller mahnt zur Kontinuität: „Es ist das A und O, dass der Laden im Alltag genutzt wird. Wenn man raus in die Stadt muss, muss man mobil sein – und das ist für viele hier einfach nicht machbar.“

Dabei ist das Konzept mehr als ein reines Einkaufsmodell. „In der dörflichen Gemeinschaft ist es auch für viele ein sozialer Treffpunkt“, sagt Oberbürgermeister Volker Holuscha. Die Bedeutung des Ladens als Ort der Begegnung wird von vielen betont – besonders in einer Zeit, in der immer mehr Menschen in die Städte abwandern. „Wir sprechen auch junge Leute mit der 24/7-Thematik an. Es ist nicht nur die ältere Generation, die das nutzt. Es sorgt für Dorfleben, für neue Lebensqualität“, ergänzt der Regionalleiter.

Die Versorgung mit regionalen Produkten – besonders Backwaren und Fleisch – sowie mit Artikeln von Start-ups und sogenannten Food-Pionieren gehört ebenso zum Angebot wie preisgebundene Einstiegsprodukte, wie man sie auch aus großen Supermärkten kennt. „Wir haben zum Beispiel die Ja-Produkte, die preislich exakt dieselben sind wie bei Rewe“, erklärt Erdmann.

Auch an die Zukunft wird gedacht: Eine App soll den Zugang zum Markt künftig noch einfacher machen. Heute dauert die Ausstellung der Enso-Karte vor Ort oder online noch ein bis zwei Wochen. Kartenwerbung durch Banner an der Bundesstraße, organisiert durch den Ortschaftsrat, habe bereits neue Kundschaft gebracht.

Der Markt funktioniert weitgehend selbstständig – und das mit Erfolg. Technische Systeme und manuelle Kontrollen sorgen dafür, dass der Betrieb sicher läuft. „In Falkenau haben wir kein Diebstahlproblem“, sagt Erdmann. Einzelne Vorfälle gebe es zwar, aber die Artikel könnten nachgebucht werden, aber Sanktionen gebe es bei Missbrauch. Auch der Jugendschutz werde durch individuelle Kartenregelungen gewährleistet.

Dass der Markt auch in Zukunft bestehen kann, hängt maßgeblich von seiner Rentabilität ab. „Es ist die allerletzte Chance der Nahversorgung im Ortsteil“, meint Müller. Neben Überlegungen zur Einrichtung einer Packstation auf dem Grundstück denkt man auch an einen Überweisungskasten oder anderweitige Angebote eines Geldinstituts nach. Der Bedarf scheint offensichtlich da zu sein – und die Idee eines kleinen, modernen Dorfladens zeigt, wie sich wirtschaftliche Innovation und soziale Verantwortung auf dem Land verbinden lassen. (efh)

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